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„In diese Dimensionen können wir nicht vordringen“

Baris Baglan, der Vorsitzende des Ringen-Bundesligisten ASV Mainz 88, sowie die Trainer Davyd Bichinashvili und Harun Yildiz über die zurückliegende Saison mit dem Aus im Viertelfinale, das ungerecht anmutende Losverfahren, die Jugendförderung und die sich weiter öffnende finanzielle Schere innerhalb der Liga.

Herr Baglan, Herr Bichinashvili, Herr Yildiz, wie sehr schmerzt die Viertelfinalniederlage noch? Ist sie verdaut oder träumen Sie nachts noch davon?

Bichinashvili: Jede Niederlage, nicht nur die im Viertelfinale, sitzt tief, gerade für uns als ehemalige ehrgeizige Sportler. Aber die Zeit heilt alles, irgendwann muss man es abhaken. Jetzt ist gerade die Phase, in der wir nichts mehr zurückdrehen können, deswegen schauen wir einfach nach vorne.

Die erste Saisonphase hat der ASV erneut als Staffelsieger beendet und mit dem 13:13 in Köllerbach eine Punktlandung hingelegt. Bis dahin war die Runde eigentlich sehr gut verlaufen.

Yildiz: Ja, natürlich. Wir sind als Gruppenerster weitergekommen. Danach haben auch andere Faktoren dazu beigetragen, dass wir Niederlagen kassiert haben und ausgeschieden sind. Es hätte auch anders laufen können.

Bichinashvili: Gruppensieger zu werden, war unser klares Ziel. Wir sind stolz darauf, dass wir in der gesamten Runde immer junge Leute eingesetzt und mit unseren eigenen Jungs gerungen haben. Das war für mich das Allerwichtigste. Trotzdem haben wir es geschafft. Dass wir zweimal gegen Tabellenletzte unentschieden gerungen haben, interessiert mich nicht, am Ende sind wir Gruppensieger geworden.

Baglan: Das Minimalziel war ja das Erreichen der Play-offs, wir haben es als Gruppenerster geschafft. Deshalb an dieser Stelle Kompliment an die Trainer und das Team, dass es trotz der Einbindung der jungen Wilden, die wir uns ja auch auf die Fahne geschrieben haben, geklappt hat. Unentschieden konnten wir ganz gut in dieser Runde. Deshalb sind wir stolz auf das Team auf und neben der Matte. Die Niederlage in den Play-offs hat mich persönlich sehr gestochen. Dieser Schmerz hat tagtäglich abgenommen, aber die Flashbacks, die ich in den ersten Tagen hatte, traten schon mit erhöhter Frequenz auf, weil es denkbar knapp war. Wir haben mit einem Punkt in Unterfranken verloren und hier unentschieden gerungen gegen ein Team, das auf dem Papier stärker ist, gegen das wir aber mithalten konnten, weil der Zusammenhalt in der Mannschaft stimmt und wir Trainer haben, die den Unterschied mit Trainingsaktivitäten und taktischem Geschick kompensiert haben.

Das Losverfahren hat die Leistungen in den Gruppenkämpfen überhaupt nicht belohnt. Andere Vereine haben sich beschwert, ihr habt euch ruhig verhalten und keine Kritik geübt. War das Verfahren gerecht?

Baglan: Wir heulen eigentlich nie rum und jammern auch nicht. Das haben wir auch in diesem Fall nicht gemacht. Trotzdem war es etwas strange, dass in Köllerbach, nachdem wir dem KSV ein Unentschieden abgetrotzt und den ersten Platz sichergestellt hatten und dementsprechend freudvoll in die Auslosung gegangen sind, am Ende die Jubelschreie aus der Köllerbacher Ecke kamen. Das war halt der Modus, die Losfee hat uns kein Glück gebracht. Wir haben im SC Kleinostheim, der Punktrunde unter anderem Wacker Burghausen geschlagen hatte, das schwerste Los gezogen, das man bekommen konnte. Wir hatten immer Kämpfe auf Augenhöhe gehabt. Auch als wir im Vorjahr Deutscher Meister wurden, waren die Kämpfe knapp. Jetzt hat das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen.

Wie sieht es in der nächsten Saison aus? Ist schon bekannt, nach welchem Modus die Endrunde ausgerichtet wird?

Baglan: Damit haben wir uns noch nicht beschäftigt. Es wird irgendwann eine Tagung geben, bei der auch das ein Thema sein wird.

Ich weiß, dass aus Burghausen und vor allem aus Schorndorf Kritik kam, denn diese Vereine waren ebenfalls betroffen...

Baglan: ... unmittelbar...

…und es kann ja nicht im Sinne des Sports sein, dass die beiden nominell stärksten Mannschaften schon im Viertelfinale aufeinandertreffen.

Yildiz: In jeder Sportart, in der es Play-offs gibt, will man so erfolgreich sein, dass man bestimmten Mannschaften aus dem Weg geht. Dafür gibt man auch etwas mehr Geld aus, um Erster oder Zweiter zu werden. Und dann passiert so etwas, dass du auf einen Gegner triffst, der mit dir in einer Gruppe war. Das gibt es eigentlich nicht. Ich weiß nicht, wer auf die Idee gekommen ist, das Verfahren so zu gestalten.

Bichinashvili: Ich habe es schon nach dem Köllerbach-Kampf gesagt: Sie können das so schreiben, von uns kam aber keine Kritik. Wir sind nicht diejenigen, die hinterher rumheulen. Wir nehmen jeden Kampf an, egal gegen wen wir kommen. Wir haben es ja nicht schlecht gemacht, sondern uns tapfer geschlagen und fast gewonnen. Das Glück war vielleicht etwas mehr auf der anderen Seite, dazu kamen die Schiedsrichterentscheidungen, die dem Gegner etwas mehr gebracht haben.

Wäre es nicht wichtig, auch einmal die Stimme zu erheben und Kritik zu üben, um mögliche Fehlentwicklungen zu korrigieren? Ist es richtig, immer nur zu sagen „wir heulen nicht rum“.

Baglan: Wer sagt denn, dass wir das nicht machen? Wir machen es halt intern.

Bichinashvili: Bei Schiedsrichterentscheidungen wurde ich auch laut und habe in der Presse Kritik geübt.

Die 88er haben gegen Kleinostheim mit einem Punkt verloren, Köllerbach insgesamt mit 13. War das eine gewisse Genugtuung zu sehen, dass Mainz tatsächlich besser war als die Saarländer.

Baglan: Die Köllerbacher haben mit 13 Punkten verloren, weil sie, wie ich glaube, im Rückkampf kein Land mehr gesehen haben oder warum auch immer. Doch das ist müßig. Wir sind im Viertelfinale ausgeschieden, wir sind denkbar knapp ausgeschieden. Fakt ist auch, dass wir erhobenen Hauptes ausgeschieden sind. Natürlich waren die Kleinostheimer überglücklich, dass sie das noch hinbekommen haben, aber unsere Fans waren auch stolz auf die erbrachte Leistung. Weil es so ein geiler Kampfabend war, und die Halle so voll war, dass ich mich nicht erinnern kann, jemals in einem Viertelfinale so viele Zuschauer gesehen zu haben, war es schön und schmerzhaft zugleich. Wir hätten gerne noch weitere Kämpfe gehabt, aber dass Köllerbach jetzt höher verloren hat, gibt uns keine Genugtuung. Es hält uns aber vor Augen, dass, wenn Kleinostheim es ins Finale schafft, es eventuell auch für uns machbar gewesen wäre. Was unseren Schmerz nicht geringer werden lässt.

Rein theoretisch: Wäre gegen Burghausen etwas drin gewesen?

Bichinashvili: Ich glaube schon. Garantien gibt es nie, aber wir hätten es Burghausen schwer gemacht, sogar schwerer, als Kleinostheim es gemacht hat.

Baglan: Ich glaube nicht, dass wir chancenlos gewesen wären. Es wären mit Sicherheit schöne, spannende Kämpfe geworden.

Neue Saison, neue Gruppen. Schon in der vorigen Runde waren Sie in einem Siebenerpool, in der anderen Staffel befanden sich acht Mannschaften. Jetzt sind es zwei Teams weniger, die 88er sind in einer Gruppe mit sechs Mannschaften, in der anderen sind es sieben. Mainz hatte und hat jeweils einen Heimkampf weniger. Kostet das den Verein Geld?

Baglan: Es ist, wie es ist. Auch das nehmen wir an, wie es kommt. Wir haben uns vorgenommen, allen Herausforderungen, Neuerungen und Widrigkeiten immer aufrecht zu begegnen. Die nächste Saison birgt in vielerlei Hinsicht Unbekanntes für uns, dazu zählt die Hallensituation. Wir wissen nicht genau, wo wir ringen. Tendenziell gibt es jetzt doch die Option, dass es die Halle Am Großen Sand sein kann, sein wird…

…der Abriss ist für Anfang 2025 geplant – aber erst nach einem eventuellen Finalkampf.

Baglan: Na also. Aber es gibt weitere Dinge, die uns das Leben nicht einfacher beziehungsweise schwerer einsehbar machen. Dazu gehören die Punkteregelung, die Ausländerregel, die Gewichtsklassenregelung. All das sind neue Unbekannte, mit denen wir umgehen und uns arrangieren müssen. Im olympischen Jahr stehen viele Fragezeichen im Raum. Wir wissen noch gar nicht, wie wir die Saison angehen sollen, um bestmöglich rauszukommen. Es gilt, achtsam und vorsichtig reinzugehen. Wir sind eigentlich Freunde von Kontinuität und Nachhaltigkeit. Deswegen war ich in der Vergangenheit immer bestrebt, das Regelwerk möglichst nicht zu verändern, nicht zu modifizieren, sondern froh zu sein, dass es einigermaßen funktioniert und die Zuschauer verstehen, um was es geht. Jetzt ist es anders, da müssen wir das Beste daraus machen, aber wir müssen es achtsam machen.

Die Gruppenzusammensetzung hat sich verändert. Neu bei den 88ern in der Nordstaffel sind der KSC Hösbach und der SC Kleinostheim, zwei sehr starke Mannschaften vom Untermain. Sind Sie froh über starke Konkurrenten, die wegen der räumlichen Nähe auch einige Zuschauer mitbringen werden, oder wären Ihnen leichtere Gegner lieber gewesen?

Yildiz: Zunächst einmal sportlich gesehen: Es ist immer gut für unsere Zuschauer, unsere Sportler und auch für uns, wenn wir starke Gegner haben, gegen die man sich auch zeigen kann. Wenn du nur schwache Gegner hast, kannst du dich nicht so messen. Klar, wenn die komplette Gruppe stark ist, ist es ein Nachteil, dann kann es auch gefährlich werden. Aber es tut schon gut, einige Mannschaften in der Gruppe zu haben, die auf gleicher Höhe angesiedelt sind.

Köllerbach, Hösbach, Kleinostheim und Mainz: Sind das vier Mannschaften auf Augenhöhe?

Bichinashvili: Ich empfinde die neue Gruppenzusammensetzung auch eher als positiv, weil Konkurrenz vorhanden ist. Wir haben immer gesagt, wir wollen attraktive Kämpfe anbieten. All diese Kämpfe sind offen, da wird sich in der Halle niemand langweilen. Klar ist es auch gefährlich, aber unser Ziel bleibt, in die Endrunde zu kommen. Es wird schwierig, aber wir werden kämpfen.

Baglan: Der ASV ist immer spektakulär, egal, wer der Gegner ist. Aber wenn drei von vier Halbfinalisten bei uns in der Gruppe sind, ist die Situation sicher nicht einfacher als bisher.

Wacker Burghausen und fast mehr noch der ASV Schorndorf rüsten weiter auf. Schon im vorigen Jahr verpflichteten die Schorndorfer zahlreiche neue Athleten, kaum waren sie in dieser Runde gegen Burghausen im Viertelfinale ausgeschieden, tauchten fast täglich Meldungen auf, welche namhaften Ringer sie angeworben haben, darunter von euch Ahmet Yilmaz und Murad Kuramagomedov. Gleichzeitig geben andere Vereine auf. Macht diese Gier nach Titeln die Bundesliga kaputt?

Bichinashvili: Zunächst einmal dürfen nur zehn Mann auf die Matte kommen. Was Schorndorf und Burghausen machen, ist mir egal. Wir schauen auf uns. Wir versuchen, eine optimale Mannschaft zu stellen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass ein Kader von 30 Mann, von denen einer stärker ist als der andere, nichts bringt. Auf die Matte gehen zehn Mann und das müssen die richtigen sein. Selbst wenn ein Verein 20 Ausländer verpflichtet, kann er trotzdem nur vier aufstellen.

Das ist die eine Sache. Die andere ist, dass bei diesem Leerkaufwettbewerb andere Vereine hinten runterfallen und finanziell nicht mehr mithalten können. Wenn mindestens zwei ambitionierte Vereine viel Geld auf den Tisch legen, steigen die Preise, und Klubs, die sehr gute Jugendarbeit betreiben müssen mitansehen, dass ihre Leute abwandern oder müssen ihnen mehr zahlen und stehen dann vor der Frage, ob sie in der Ersten Liga herumdümpeln wollen oder aufgeben und stattdessen attraktive Kämpfe in der Zweiten Bundesliga bestreiten.

Yildiz: Fakt ist, viele Vereine haben junge Leute verpflichtet, um sie vom Markt zu holen. Aber wie viele Einsätze bekommen sie? Die Sportler sollten sich Gedanken machen, ob sie überhaupt zu einer solchen Mannschaft wollen, bei der sie nur drei oder vier, statt acht oder zehn Kämpfe machen. Haben sie dort überhaupt eine Perspektive? Man hat gesehen: Viele gehen nach verlorenen Jahren im Juniorenbereich wieder weg.

Baglan: Die genannten Vereine haben andere finanzielle Möglichkeiten, und es ist legitim, sie auszureizen. Darüber hinaus sehen wir aber auch das, was Sie ansprechen. Schon vorige Saison wurde eine Menge Lizenzen von verschiedenen Vereinen abgeschlossen. Das macht sie variabler und die Sache für uns schwieriger. Das ist aber nicht der Weg, den wir gehen wollen und den wir gehen können, weil wir uns diese Dimensionen nicht leisten können. Für uns spricht, dass wir seit 2007 in der Bundesliga sind und seitdem peu à peu gefestigt, gesteigert und strukturiert haben. Wir legen eine gewisse Kontinuität an den Tag und haben viele Konkurrenten kommen und gehen sehen. Sterne sind erblüht und verglüht, all das ist passiert. Wir wollen diese Vorgehensweise, die für uns risikoreich wäre, nicht ausreizen. Deshalb schauen wir, dass wir eine möglichst stabile Mannschaft zusammenbekommen, die möglichst zukunftsorientiert und nachhaltig besetzt ist. Da sind wir bei den jungen Wilden, die in der Rheinland-Pfalz-Liga die Meisterschaft geholt haben. Sie drängen sich auf, sie wollen wir weiter integrieren. Das ist unser Weg. Natürlich wollen wir der Liga gerecht werden, denn wir wollen erstklassig bleiben, aber nicht um jeden Preis. Wir sind am Markt, wir bekommen mit, was läuft, und es scheint nach oben keine Grenzen zu geben. Das nehmen wir zur Kenntnis.

Zur finanziellen Situation des Vereins. Sie, Herr Baglan, haben in einem Interview gesagt: „Auch an uns sind die multiplen Krisen der letzten Jahre nicht spurlos vorübergegangen.“ Muss der ASV Mainz Abstriche am Etat machen?

Baglan: Wir schauen, dass wir unseren Etat zusammenhalten, aber das war schon während der Pandemie schwierig, weil uns kleinere und mittlere Sponsoren auf Grund der damaligen Lage abgesprungen sind. Natürlich tun wir uns schwer, neue Sponsoren zu gewinnen, wenn wir in einer Zeit der Rezession leben. Aber wir probieren durch attraktiven Ringkampfsport, durch verschiedene Maßnahmen auf und neben der Matte auf uns aufmerksam zu machen und haben das Glück, dass wir in Mainz eine gewisse Tradition und uns etwas aufgebaut haben. Deshalb kommen immer wieder neue Sponsoren dazu, aber es ist schon ein jährlicher Kampf, den Etat und den Kader zusammenzuhalten.

Obwohl der Verein am Etat keine Abstriche machen muss, verlassen euch namhafte Athleten. Ich denke in erster Linie an Kuramagomedov, bei dem ich das Gefühl hatte, er fühlt sich in der Mannschaft wie in einer Familie, der aber doch dem Ruf des Geldes gefolgt und nach Schorndorf abgewandert ist. Können Sie da nicht mehr mithalten?

Baglan: Ich habe es bereits gesagt: Wir können in diese Dimensionen nicht vordringen. Burghausen, Schorndorf, Kleinostheim – da werden Beträge genannt, bei denen wir nicht mithalten können. Es geht nicht. Wenn wir das machen würden oder es in der Vergangenheit gemacht hätten, wären wir existenziellen Gefahren ausgesetzt. Wir als Verantwortliche haben auch eine Verantwortung gegenüber dem Verein und der Tradition. Wir haben vor zehn Jahren 125-jähriges Bestehen gefeiert, und wir wollen noch länger nachhaltig Bundesliga-Ringkampfsport präsentieren. Deshalb müssen wir diesen Spagat gehen zwischen vorne mitmischen, eine kompakte Mannschaft haben, jung, wild und mutig zu sein aber diese Preisspirale nicht mitgehen.

Yildiz: Wir sind ein Verein, und darauf bin ich stolz, der dieses System aufgebaut hat. Ich habe in vielen Vereinen gerungen, die ich jetzt nicht mehr in der Bundesliga sehe. Die haben nicht für morgen, nicht für die Zukunft gearbeitet. Es hat sich ja auch gezeigt, dass wir mit unserem Etat sehr weit gekommen sind.

Bichinashvili: Ein ganz wichtiger Punkt ist für mich, dass, ob es Kuramagomedov oder ein anderer ist, wir es nicht mitmachen, wenn Sportler nur wegen des Geldes antreten und dann weggehen. Sie haben Recht: Er hat sich hier zu Hause gefühlt. Diese Atmosphäre haben wir für ihn geschaffen. Er ist jetzt genau dahin gegangen, woher er gekommen ist, wo er sich nicht so wohlgefühlt hatte. Jetzt hat sich offensichtlich die Situation ergeben, dass ihm eine Summe genannt wurde, zu der er nicht Nein sagen konnte. Wir können nicht einem Sportler mehr Geld geben als einem anderen. Wir bleiben auf einem Niveau, plus/minus ein paar Hundert Euro.

Baglan: Wir können und wollen unser Gehaltsgefüge nicht sprengen, schon wegen des Zusammenhalts der Mannschaft nicht. Dann sind wir bei den Punkten, mit denen wir probieren, Sportler und junge Menschen für uns zu gewinnen. Wir haben die besten Trainer, die man sich vorstellen kann, hier wird jeden Tag trainiert und jeden Tag ist es hier gerammelt voll. Ich glaube, wir haben eine ganz gute Trainingsfrequenz und -beteiligung. Darauf sind wir stolz. Hier gibt es ein gewisses Niveau im Training. Wir haben eine schöne Stadt, in der man leben kann. Viele Beispiele, vorneweg unser Kapitän...

...Wladimir Remel...

Baglan: …der seinen Lebensmittelpunkt als junger Mensch aus Nordrhein-Westfalen hierher verlegt hat, sein Glück, seine bessere Hälfte und seinen Job gefunden hat und all das. Die Trainer, die Mannschaft, der Verein, die Stadt sind die Pfunde, mit denen wir arbeiten können.

Aber der Abgang von Kuramagomedov schmerzt, weil er als Letzter in jeder Begegnung immer alles gegeben hat, um das benötigte Ergebnis herauszuholen. Zum Beispiel hat er im Viertelfinale versucht, mit einem technisch überlegenen Punktsieg das Unmögliche doch noch möglich zu machen. Er hat sich für den Verein, für die Mannschaft zerrissen.

Bichinashvili: Können sie aber einen Sportler nennen, der das nicht gemacht hat? Da gibt es bei uns keinen. Bei ihm fiel es auf, weil es immer der letzte und entscheidende Kampf war. Aber es gibt nicht einen, auf den das nicht zutrifft. Wir schaffen die Atmosphäre, wir gehen als Mannschaft auf die Matte, deswegen versucht jeder sein Maximum zu geben. Wäre das nicht der Fall, würden wir das unter sechs oder vier Augen ansprechen. Murad ist ein starker Mann, aber wir gewinnen und verlieren zusammen.

Baglan: Wir haben in den vergangenen Jahren immer Leistungsträger abgeben müssen, größtenteils aus den besagten Gründen. Trotzdem haben wir versucht, das zu kompensieren und haben das auch nicht so schlecht hinbekommen.

Es gibt einige Regeländerungen zur neuen Saison. Unter anderem werden Eigengewächse nicht mehr mit minus zwei Ringerpunkten bewertet, sondern mit null. Was wird damit bezweckt?

Baglan: Das kann ich Ihnen nicht sagen, da müssen Sie den DRB fragen. Es trifft uns aber brutal, weil es uns Bewegungsfreiheit nimmt, denn es entlastet unser Punktekonto nicht mehr so, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Es läuft wohl darauf hinaus, dass der Vorteil, wenn man Eigengewächse reinbringt, zu groß ist. Das will man wohl eingrenzen oder eindämmen.

Die andere Änderung betrifft die Gewichtsklassen: Das Fliegengewicht fällt weg, dafür gibt es im 80-Kilo-Limit in jeder Begegnung Kämpfe in beiden Stilarten.

Baglan: Statistisch sieht es wohl so aus, dass in der 57-Kilo-Klasse mehr Ausländer als deutsche Sportler antreten. All right, auch das trifft uns hart, auch damit müssen wir zurande kommen. Es ist eine Herausforderung nach der anderen, all das macht die Situation nicht einfacher. Was in diesem Zusammenhang Eigengewächs und Integration von Eigengewächsen oder fremden Sportlern angeht, wäre es auch schön und besser, wenn man sich etwas offener überlegt, ob man bei Deutschen Einzelmeisterschaften die Tür, die man geöffnet hat, was nachweislich gut war, indem man in der Bundesliga N-4- und N-6-Sportlern einen Deutschenstatus gibt, auch dort macht. Damit würde man den Jungs eine weitere Perspektive geben. Im Moment haben die Jungs aus der Flüchtlingswelle 2015 oder jetzt die Ukrainer, nur die Perspektive, in die Bundesliga zu kommen, um ihren Sport auf Leistungsebene auszuüben. Schön wäre es doch, wenn sie auch bei Deutschen Einzelmeisterschaften ringen könnten. Davon hätte auch der Verband etwas, weil es stärkere Konkurrenz und mehr Action gibt. Es ist ja bekannt, dass die Teilnehmerzahlen bei Einzelmeisterschaften rückläufig sind. Wenn wir jetzt einen ausländischen Sportler haben und dem Verband sagen: Schaut ihn euch mal im Rahmen der Nationalmannschaft an, der ist gut, heißt es: „Wir haben keinen Leistungsnachweis.“ Aber wie soll er den erbringen? Nur über die Bundesliga! Wenn er jetzt bei einer DM aufs Podest kommt, kann man sagen: Guck mal, da ist der Leistungsnachweis, vielleicht lohnt es sich, mehr zu investieren, um den Sportler für den Verband zu gewinnen. Wie bin ich da hingekommen? Wir als ASV haben maßgeblich die Entwicklung vorangetrieben, ausländischen Sportlern die Tür zu öffnen. Vielleicht wäre es gut, eine weitere Tür zu öffnen.

Die 88er waren im 57-Kilo-Limit sehr gut besetzt, hatten in Beka Bujiashvili und Adem Uzun die Topleute. Die können auch eine Klasse höher antreten. Aber lohnt es sich jetzt noch, sie zu halten? Was passiert mit ihnen?

Bichinashvili: Zunächst mal: Ich habe nicht verstanden, warum die 57 Kilo rausgenommen wurden, denn es ist auch eine olympische Gewichtsklasse. Wenn wir in der Bundesliga eine olympische Sportart betreiben, finde ich es nicht richtig, diese Klasse zu streichen. Beide Sportler sind in 57 Kilo sehr stark, wie gut sie in 61 Kilo sind, wissen wir noch nicht, denn dort treten auch Athleten an, die von 66 Kilo runterkommen. Wenn jemand, der 57 oder 59 Kilo hat, gegen jemanden ringt, der 65 Kilo wiegt, wird es unserer Erfahrung nach schwer. Das heißt aber nicht, dass sie gegangen sind. Wir machen uns noch Gedanken.

Baglan: In diesem Zusammenhang verweisen wir immer auf den Tag der offenen Tür, bei dem wir den neuen Kader präsentieren.

80 Kilogramm wird wichtiger. Wenn man dort schon gut besetzt ist, muss man trotzdem noch zulegen? Braucht man möglicherweise zwei Leute, falls sich einer verletzt? Was ist bei der Kaderplanung zu beachten?

Bichinashvili: Das gleiche wie bei 75 Kilo. Wir brauchen vielleicht einen Mann mehr als bisher.

Baglan: Gegebenenfalls kann man auch einen Sportler hochziehen.

Bichinashvili: Wir müssen etwas variabler sein.

Inwieweit können die Vereine bei solchen Regeländerungen mitreden?

Bichinashvili: Das entscheidet der Deutsche Ringerbund (lacht).

Es gibt doch auch einen Bundesligaausschuss. Kann der bei solch einschneidenden Änderungen nicht zumindest beraten?

Baglan: Wir stehen miteinander im Austausch, auf einer Tagung werden solche Dinge besprochen und beschlossen. Ich habe bereits gesagt, dass wir Freunde der Kontinuität und Nachhaltigkeit sind. Wir waren für das Punktesystem, weil damit die Schere nicht weiter aufgeht.

Wie groß ist der Einfluss des ASV Mainz 88? Ist der Verein im DRB vertreten oder wäre es gut, wenn er vertreten wäre? Wie stark ist Ihre Stimme im Bundesligaausschuss?

Baglan: Im Bundesligaausschuss sitzen Vereinsvertreter, die andere Klubs repräsentieren. Insofern gibt es einen internen Austausch, bei dem man kundtut, was man optimieren kann oder glaubt, optimieren zu müssen. Ich bin nach wie vor im Austausch mit den Kollegen. Strukturell ist es eine andere Geschichte. Der DRB ist auf den Landesverbänden aufgebaut, unter denen der rheinhessische Verband keine große Nummer ist. Es gibt Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen. Dann war’s das erst mal. Das muss man sich auch vor Augen halten.

Wäre es eine Lösung, sich in den Gremien personell stärker zu engagieren, sich Wahlen zu stellen und Funktionen zu übernehmen?

Baglan: Wir haben ja gesagt, dass wir nicht rumheulen. So, wie es im Gesamtpaket Bundesliga läuft, wie sie sich vermarktet, ist es ja nicht grundsätzlich schlecht. Wenn wir Verbesserungsmöglichkeiten sehen, bringen wir sie über besagte Kanäle ein. Ich glaube, dass wir über die Jahre hinweg so wahrgenommen wurden, dass wir im Sinne des Sports handeln und möglichst ohne Vereinsbrille ausloten, was gut für den Sport ist. Man hört uns schon zu.

Angesichts der Gesamtsituation, der finanziellen Lage und der Regeländerungen: Muss der ASV seine Ansprüche möglicherweise für ein, zwei Jahre zurückschrauben, um sich zu konsolidieren, und um dann wieder mit Eigengewächsen anzugreifen?

Baglan: Konsolidieren hieße ja, dass wir uns in einer Schräglage befinden. Das ist nicht der Fall. Wir sehen nur, dass wir Dimensionen erreicht haben, in denen wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einfach nicht mithalten können. Das war 2013 schon so. Wir waren auch damals mit Abstand nicht die Finanzstärksten und haben uns trotzdem durchgesetzt. Daran hat sich kaum etwas geändert. Es gibt Burghausen mit der Firma Wacker hintendran, das ist eine andere Liga. Das gilt es zu akzeptieren. Wir sehen eine Spitze in der Bundesliga, die von uns entfernt ist. Das ist Fakt. Da können und wollen wir nicht mithalten, weil wir uns nicht existenziell gefährden wollen. Jetzt sind wir im Viertelfinale ausgeschieden, und es kann sein, dass wir auch einmal die Play-offs nicht erreichen. Erfolg ist Fluch und Segen zugleich. Wenn du in elf Jahren zehnmal im Halbfinale stehst, denkt man von außen vielleicht, es ist ein Selbstläufer. Wir haben aber immer gesagt, dass wir uns jedes Jahr neu erfinden, neu aufstellen und schauen müssen, dass es einigermaßen funktioniert. Wenn es dann einmal kein Halbfinale, kein Finale wird, geht die Welt nicht unter. Wir müssen nur schauen, dass wir das, was wir hier haben, was wir hier leben, möglichst lange umsetzen können. Wenn wir junge Wilde haben, mit denen wir bei unserem Budget nicht mehr erstklassig sein können, ist das so. Dann muss man sich Gedanken über den Weg machen. Aber möglichst viele junge Menschen für den Sport zu gewinnen, mit ihnen möglichst erfolgreich Leistungssport anzubieten, treibt uns an.

Das Gespräch führte Gert Adolphi.

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Nun gut, es war mehr oder weniger ein Werbebericht über Mainz, die die letzten Jahre wirklich sehr erfolgreich gestaltet haben. Dafür mein ehrlicher Respekt. Ob und wie viel Geld sie weniger zur Verfügung haben als die genannten anderen 3 Vereine, weiß ich nicht und es ist auch müßig darüber zu spekulieren. Wer kennt schon konkrete Zahlen? Interessant ist für mich das „Rumheulen “ , wird oft genannt, dass dies bei Mainz nicht vorkommt. Aber das Lamentieren, Diskutieren, sich beschweren , auf die Matte rennen, etc. bei Kampftagen, kann nicht gemeint sein. Hier ist Mainz ganz, ganz vorne dabei, leider. 

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vor 17 Minuten schrieb Wrestler_for_ever:

Nun gut, es war mehr oder weniger ein Werbebericht über Mainz, die die letzten Jahre wirklich sehr erfolgreich gestaltet haben. Dafür mein ehrlicher Respekt. Ob und wie viel Geld sie weniger zur Verfügung haben als die genannten anderen 3 Vereine, weiß ich nicht und es ist auch müßig darüber zu spekulieren. Wer kennt schon konkrete Zahlen? Interessant ist für mich das „Rumheulen “ , wird oft genannt, dass dies bei Mainz nicht vorkommt. Aber das Lamentieren, Diskutieren, sich beschweren , auf die Matte rennen, etc. bei Kampftagen, kann nicht gemeint sein. Hier ist Mainz ganz, ganz vorne dabei, leider. 

Da stimme ich in allem zu!

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vor 39 Minuten schrieb Wrestler_for_ever:

Nun gut, es war mehr oder weniger ein Werbebericht über Mainz, die die letzten Jahre wirklich sehr erfolgreich gestaltet haben. Dafür mein ehrlicher Respekt. Ob und wie viel Geld sie weniger zur Verfügung haben als die genannten anderen 3 Vereine, weiß ich nicht und es ist auch müßig darüber zu spekulieren. Wer kennt schon konkrete Zahlen? Interessant ist für mich das „Rumheulen “ , wird oft genannt, dass dies bei Mainz nicht vorkommt. Aber das Lamentieren, Diskutieren, sich beschweren , auf die Matte rennen, etc. bei Kampftagen, kann nicht gemeint sein. Hier ist Mainz ganz, ganz vorne dabei, leider. 

Ja, das dachte ich mir auch....glaube da sind sie ungeschlagen an der Spitze...kenne keine Ecke, wo so "rumgeheult" wird....aber das ist ja immer so, was man selbst macht, fällt einem weniger negativ auf, als bei anderen...

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vor 4 Stunden schrieb Seppi:

Ja, das dachte ich mir auch....glaube da sind sie ungeschlagen an der Spitze...kenne keine Ecke, wo so "rumgeheult" wird....aber das ist ja immer so, was man selbst macht, fällt einem weniger negativ auf, als bei anderen...

Es gibt keinen Verein, der in der Bundesliga so oft in entscheidenden Situationen benachteiligt wird. Mainz hat keine Lobby im Verband. Keinen starken Landesverband hinter sich usw. 

Alleine die Situation hier in Forum beweist es ja auch immer wieder, wie die Kräfteverhältnisse neben der Matte verteilt sind. Mir fielen dutzende Kämpfe ein, alleine bei denen ich auf der Tribüne saß, wo die Ecke einfach Recht hat. Allein der aktuellste Akbudak gg. Gutu. Ein Skandal. 

Die Mainzer sind dafür noch zu ruhig, nie ein böses Wort gegen irgendwem neben der Matte. Vielleicht sollte man das ändern... 

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vor 19 Stunden schrieb i wois wer:

Harun war 1 Jahr gesperrt, weil es sich so toll benehmen kann. 

Er war 3 Jahre gesperrt, kommt aber dank guter Führung schon nach 2 Jahren wieder auf die Trainerbank zurück :-)

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vor 9 Minuten schrieb _Ringer_:

Es gibt keinen Verein, der in der Bundesliga so oft in entscheidenden Situationen benachteiligt wird. Mainz hat keine Lobby im Verband. Keinen starken Landesverband hinter sich usw. 

Alleine die Situation hier in Forum beweist es ja auch immer wieder, wie die Kräfteverhältnisse neben der Matte verteilt sind. Mir fielen dutzende Kämpfe ein, alleine bei denen ich auf der Tribüne saß, wo die Ecke einfach Recht hat. Allein der aktuellste Akbudak gg. Gutu. Ein Skandal. 

Die Mainzer sind dafür noch zu ruhig, nie ein böses Wort gegen irgendwem neben der Matte. Vielleicht sollte man das ändern... 

„Die anderen haben mehr Geld“, „wir haben mangels starkem Landesverband keine Lobby“, „Wegfall 57 Kilo schlecht, da wir dort gut besetzt sind“, „Wegfall -2 für eigene Ringer tut uns weh“, dann das ständige Reklamieren am Mattenrand: Das ist genau das Gegenteil von nicht Rumheulen! Und dennoch habe ich großen Respekt vor der geleisteten Arbeit.

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