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Waldläufer

ASV Mainz 2018/19

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SPORTARTEN ABO-SE

 

BUNDESLIGA | GERT ADOLPHI | 07.02.2018

„Man steht auf und macht weiter“

 

Das Führungstrio des ASV Mainz 88 – Vorsitzender Tolga Sancaktaroglu, Vize Baris Baglan, Cheftrainer Davyd Bichinashvili – im „Interview der Woche“ über die zurückliegende Saison, die Planungen für die kommende Runde, Gerüchte über einen Rückzug von der Vereinsspitze, die Konkurrenz mit Alemannia Nackenheim und (nicht) über die Deutsche Ringer-Liga.

 

 

„Das Aus im Halbfinale war ein Schlag in die Magengrube“, sagt 88-Vize Baris Baglan (l.). | Eva Willwacher

Mainz. Souverän waren die Ringer des ASV Mainz 88 bis ins Halbfinale der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft marschiert. Mit nur einer Niederlage schlossen sie die Vorrunde in der Südweststaffel der Bundesliga mit klarem Vorsprung als Sieger ab, im Achtel- und Viertelfinale dominierten sie ihre Gegner.

Nach dem 14:10-Sieg im Halbfinal-Hinkampf beim SV Wacker Burghausen war die Hoffnung groß, auch den nächsten Schritt zu bewältigen. Umso schmerzhafter war das Aus nach dem 11:18 in der zweiten Begegnung gegen die Oberbayern, die sich anschließend gegen den KSV Köllerbach auch den Titel sicherten.

SPORTAUSMAINZ.de traf sich mit dem ASV-Vorsitzenden Tolga Sancaktaroglu, seinem Vize Baris Baglan und Cheftrainer Davyd Bichinashvili im Weisenauer Athletikzentrum zum Gespräch über die abgelaufene und die kommende Runde.

 

Sechsmal in den vergangenen sieben Jahren hat der ASV Mainz 88 das Halbfinale um die Deutsche Mannschaftsmeisterschaft erreicht. Das spricht für große Konstanz auf sehr hohem Niveau. Wiegt das den Schmerz über das verpasste Finale auf?

Bichinashvili: Irgendwann wollten wir wieder ins Finale kommen, das war unser Wunsch. Als wir im Halbfinale standen, hatten wir schon das Ziel, das Finale zu erreichen. Das ist uns nicht gelungen. Die Jungs haben aber alles gegeben, gegenüber der Mannschaft gibt es überhaupt keine Vorwürfe. Trotzdem tut das weh. Wir können die Zeit aber nicht mehr zurückdrehen. Wir müssen nach vorne schauen und versuchen, es in der nächsten Saison besser zu machen.

Baglan: Klar ist das im ersten Moment emotional. Das hat gesessen, das muss man erst verdauen. Man muss das aber versachlichen. Wie Sie gesagt haben: Wenn man sechsmal in sieben Jahren ins Halbfinale kommt, zeugt das von guter Arbeit, die längere Zeit geleistet wurde. Nur, an dem Abend sind die sieben Jahre zuvor erst einmal in den Hintergrund getreten, sie kamen mit der Zeit aber wieder zum Vorschein. Nach der Saison ist vor der Saison.

Sancaktaroglu: Ich bin sehr froh über die Konstanz, die wir in den vergangenen Jahren an den Tag gelegt haben. Konstanz bezüglich unserer Arbeit neben der Matte. Das heißt in der Öffentlichkeitarbeit, im Sponsoring und der Nähe zur Bevölkerung. Das passt. Wir wissen, dass uns die Mainzer unterstützen. Auf der Matte ist der sportliche Erfolg in meinen Augen wertvoller, wenn man ihn über mehrere Jahre auf hohem Niveau abrufen kann, als wenn es eine Eintagsfliege ist. Wir werden weiter daran arbeiten, attraktiven Ringsport, der in der Regel ja mit Erfolg verknüpft ist, auf die Matte zu zaubern. Trotzdem ist das Emotionale in uns allen tief verhaftet. Wir sind alle Sportler. Gerne hätten wir den nächsten Schritt gemacht. Aber das gehört zum Sport dazu.

Wie haben Sie die Halbfinalniederlage verarbeitet? Einmal darüber schlafen reicht ja wohl nicht. Wie lange verfolgt einen so etwas?

Bichinashvili: Sportlich hat uns die Niederlage wehgetan, ganz klar. Die Jungs haben gebrannt und wollten ins Finale. Man hat gesehen, wie enttäuscht sie nach diesem Abend waren. Die Enttäuschung bleibt wohl noch eine Zeit. Wenn wir ab und zu noch ans Halbfinale denken, können wir immer noch schlechte Laune bekommen. Aber die Zeit heilt alles. Wir wollen möglichst wenig zurückblicken, sondern lieber nach vorne.

Baglan: Es war im wahrsten Sinne ein Schlag in die Magengrube. Da hat sich alles zusammengezogen und sich körperlich bemerkbar gemacht. Dann holt einen doch der Alltag ein, man steht auf und macht weiter.

Was ging Ihnen in den Tagen danach durch die Köpfe? Haben Sie darüber nachgedacht, was besser hätte laufen können?

Bichinashvili: Ich glaube, das ist ganz normal. Nach dem Kampf ist es die Aufgabe jedes Trainers, sich auch Gedanken zu machen: Was wäre gut, was wäre vielleicht besser gewesen. Aber bei den Sportlern, die uns zur Verfügung standen, wäre nichts Besseres möglich gewesen. Klar haben wir uns Gedanken gemacht, ich mir alleine, aber auch mit Baris und Tolga. Wir haben alles dafür getan, um mit der besten Mannschaft dazustehen. Für mich war die Aufstellung der Burghausener nicht die ganz große Überraschung. Sie haben etwas riskiert. Auch wenn wir alles vorher gewusst hätten, hätten wir nichts ändern können. Wir konnten nichts Besseres rausholen.

Würden Sie zustimmen, dass die Chancen auf einen erneuten Titelgewinn so groß waren wie schon lange nicht mehr?

Sancaktaroglu: Aus meiner Sicht ist das in jeder Saison ein schwieriges Unterfangen. Da gibt es keinen Unterschied. Da muss einfach alles passen, damit so etwas möglich ist. Wenn die Frage darauf abzielt, dass es in dieser Saison einfacher war, weil die großen Kracher nicht mit dabei waren, muss ich das verneinen. Als Kracher kommen ja nur Weingarten und Nendingen infrage. Auch in dieser Runde waren sehr starke Mannschaften am Start.

Baglan: Fakt ist auch, dass wir eine ganze Saison gerungen haben und nicht nur das Halbfinale. Wir hatten es auch mit starken Gegnern zu tun und haben uns bravourös geschlagen. Die Jungs, die wegen der Regularien nicht in der DRL gerungen haben, sind ja auch in der Bundesliga untergekommen. Wenn wir uns Adelhausen, Burghausen und Köllerbach anschauen, gibt es kaum einen Aderlass, vor allem bei den nationalen Athleten. Es waren aber auch die internationalen Kracher dabei, wenn auch über die drei Staffeln verstreut. Wenn es sich dann in Richtung Finale zusammenzieht, steigt die Qualität von Runde zu Runde. Es gab keine größeren Qualitätseinbußen. Und wir waren die ganze Runde dezimiert. Wir mussten auf unseren Capitano Konstantin Völk verzichten, wir mussten kurzfristig zwei bis drei Ausfälle kompensieren. Die Mannschaft wurde nach bestem Wissen und Gewissen aufgestellt.

Sancaktaroglu: Die starken Mannschaften, die Baris genannt hat, waren alle Mitfavoriten um den Titel.

Bichinashvili: Wir hatten in allen Jahren die gleichen Chancen. Wenn wir etwas zurückdenken, sind wir gegen Nendingen wegen eines Punktes ausgeschieden. Wir sind 2012 auch mit einem Punkt Vorsprung ins Finale eingezogen und haben es ebenfalls mit einem Punkt gewonnen. So ist Sport.

Der Kader war sehr gut aufgestellt – breit und qualitativ hochwertig besetzt. Gibt es im Nachhinein Positionen, von denen Sie sagen würden: Da hätten wir noch nachbessern können?

Baglan: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Man kann nicht alles eins zu eins vorhersehen. Im Nachhinein zu sagen, da hätten wir und hier hätten wir, ist müßig. Wir hatten im vorigen Jahr die Seuchensaison mit mehreren Kreuzbandrissen. Das kann man im Vorfeld nicht einplanen. Wir waren froh, dass der Capitano zurück war. Er hat eine schöne Vorbereitung gerungen und natürlich haben wir uns gewünscht, dass er zurückkommt und wieder zu einer Säule unserer Mannschaft wird. Es sah auch alles gut aus. Dann kam eine andere große, langwierige Verletzung zum Vorschein. Das war vorher nicht abzusehen. In die Glaskugel schauen können wir nicht.

Die Mannschaft hätte im Freistil-Schwergewicht noch einen Athleten gebrauchen können, quasi als Gegenstück zu Greco-Ringer Mantas Knystautas.

Baglan: Aber Sie wissen ja auch, dass es Regularien gibt und man mit einer gewissen Anzahl an Deutschen auf die Matte muss. Im Halbschwergewicht haben wir ja gute Jungs, deutsche Jungs. Beide stehen gut im Saft. Der eine, Gabriel Stark, kann gut Greco. Wenn sie im Schwergewicht eingesetzt wurden, haben sie auch einen guten Job gemacht. Es ist uns ja auch dienlich, wenn einer es schafft, auf Augenhöhe zu ringen und eine knappe Niederlage reinzuholen. Das ist im Schwergewicht auch leichter abbildbar.

Gegen eine Verletzung wie bei Soner Demirtas kann man nichts machen. Machtlos waren Sie auch im Fall von Mark O. Madsen, der im Halbfinale wegen eines anderen Wettkampfs verhindert war. Was aber war mit Ruslan Kudrynets. Können Sie im Nachhinein das Geheimnis lüften, warum er im Halbfinale plötzlich gefehlt hat?

Bichinashvili: Wir wissen es selbst nicht. Er war einfach nicht da.

Sancaktaroglu: Untergetaucht.

Bichinashvili: Wir haben versucht, ihn zu erreichen. So etwas macht man nicht ohne Infos. Das finde ich schade.

Sancaktaroglu: Wir können nur den Kopf darüber schütteln, dass er uns nicht zur Verfügung stand.

Baglan: Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen. Fakt ist, dass er vordergründig gesagt hat, er hätte Rücken.

Für mich bleibt die Frage: Warum verzichtet ein Sportler, der mit der Mannschaft vor einem großen Erfolg steht, plötzlich auf seinen Einsatz?

Baglan: Wenn Ruslan dabei gewesen wäre, hätte er mit Sicherheit gegen Maasch keine Vier abgegeben. Das wären weitere Punkte gewesen, die wir mitgenommen hätten. Hätte, hätte...

Bichinashvili: Wenn er dabei gewesen wäre, hätten wir das Finale erreicht.

Dass Wacker Burghausen ein würdiger Meister ist, steht wohl außer Frage. Ist das eine kleine Genugtuung, dass Sie gegen den Titelgewinner ausgeschieden sind, oder vertieft das noch den Schmerz, weil Sie sich sagen können: Das, was die Burghausener in den Finalkämpfen geschafft haben, hätten wir auch machen können?

Sancaktaroglu: Wir sind nicht so vermessen, zu sagen, dass wir Köllerbach dann auch geschlagen hätten. Aber dass die Burghausener ein würdiger Meister sind, kann man durchaus sagen, weil sie uns geschlagen haben und weil wir mit ihnen am ehesten gerechnet haben neben Adelhausen, Neckargartach und Köllerbach.

Alles zusammengenommen, Vorrunde und Play-offs: Wie fällt unterm Strich Ihr sportliches Fazit aus?

Sancaktaroglu: Positiv.

Zur finanziellen Seite. Sie hatten einen erstklassig besetzten Kader, der kostet auch Geld. Hat sich das mit Zuschauereinnahmen und Sponsorengeldern gerechnet?

Sancaktaroglu: Unser Etat ist aufgegangen. Wir bewegen uns in einem gewissen Korridor, in dem wir zum Glück dank der Arbeit der vergangenen Jahre weder nach unten groß ausschlagen, es leider aber aufgrund der Sportart Ringen und des benachbarten Fußball-Bundesligisten auch nicht schaffen, nach oben auszuschlagen. Deswegen haben wir den Kader so zusammengestellt, dass wir uns mit unserem Budget nicht verkalkulieren, und das hat geklappt.

Sie hatten erstmals seit Langem einen lokalen Konkurrenten. Hat sich das bei den Sponsorengeldern bemerkbar gemacht? Alemannia Nackenheim[https://www.sportausmainz.de/sport/artikel/Nack-48610596486] und die 88er haben ja in Lotto Rheinland-Pfalz den gleichen Hauptsponsor.

Sancaktaroglu: Da wir in den Sponsorengesprächen nur auf uns fokussiert sind, haben wir da bisher keine Berührungspunkte verspürt und werden das auch zukünftig nicht tun, weil die Vereinbarungen, die wir mit unseren Sponsoren haben, auf uns zugeschnitten sind.

Können mittel- und langfristig zwei Bundesligisten in so großer räumlicher Nähe nebeneinander existieren, oder machen sich die Vereine gegenseitig kaputt?

Baglan: Aus sportlicher Sicht war das Derby gegen Nackenheim ein absolutes Highlight. Das konnte man ja in beiden Begegnungen atmosphärisch und zahlenmäßig erkennen. Was es auf Dauer gibt, weiß ich nicht. Ich kann aus der Vergangenheit sagen, dass es zwischen der RWG Mömbris/Königshofen und Bavaria Goldbach eine interessante Rivalität gab. Dass beide Vereine jetzt nicht mehr zur Bundesliga gehören, hat mannigfaltige Gründe. Ich glaube nicht, dass es daran lag, dass sie so nah beieinander waren. Aus sportlicher Sicht ist es sehr interessant. Es hält uns natürlich auch wach, da wir in der Vergangenheit immer den Anspruch erhoben haben, attraktiven Ringsport zu bieten. Das wollen andere in der näheren Umgebung auch.

Es wurde behauptet, die Vereinsführung wolle sich mit einem Titel verabschieden. Was ist da dran? Baris Baglan hat sich als Zweiter Vorsitzender schon in die zweite Reihe zurückgezogen. Tritt der Vorsitzende noch einmal zur Wiederwahl an?

Sancaktaroglu: Das ist Gegenstand der Mitgliederversammlung, die wir traditionell an unserem Tag der Offenen Tür abhalten. Demensprechend wollen wir nicht vorgreifen. Es kann ja durchaus sein, dass die Mitglieder mit der aktuellen Führung nicht zufrieden sind und wir abgewählt werden. Deswegen lassen wir das alles erst einmal auf uns zukommen.

Baglan: Zu der Aussage, ich hätte mich zurückgezogen: De facto ist es so, dass das Alltagsgeschäft mit meinem beruflichen Werdegang nicht mehr zu vereinbaren war. Diese Erfahrung musste ich relativ schnell machen. Als Schulleiter einer Grund- und Realschule plus ist das schwer unter einen Hut zu bekommen. Ich bin ja auch noch politisch engagiert. Das haben wir klar intern angesprochen, und ich bin dankbar, dass es dafür auch die Einsicht in unserer Vorstandschaft gab. Wir haben die Aufgaben auf andere Schultern delegiert und das auch gut kompensiert. Das heißt aber nicht, dass ich mich als Zweiter Vorsitzender mit dem Aufgabenbereich Sport aus der Verantwortung zurückgezogen hätte. Dem ist nicht so. Ich bin nach wie vor dabei, in strategischen Sachen schließen wir uns immer kurz. Ich bin froh, dass wir das immer so gut kompensieren können. Als der Coach sich reaktiviert hat und wir beschlossen haben, dass er seine Ressourcen anders einteilen muss, war ich auch wieder da und habe gesagt, das kompensieren wir gemeinsam.

Das ist vielleicht etwas falsch rübergekommen. Die Gründe für Ihren Schritt haben wir damals ja auch dargelegt, sie sind vollkommen plausibel. Auch Tolga Sancaktaroglu hat einen Beruf, in dem er große Verantwortung trägt. Man macht eine ganze Weile beides zusammen, Beruf und Vereinsamt. Das kostet sicherlich immens viel Kraft. Nach einer gewissen Zeit könnte man dann sagen: Ich habe den Karren einige Jahre gezogen, die Belastung wird zu groß. Ich ziehe mich ins zweite Glied zurück. Stellen Sie, Herr Sancaktaroglu, sich denn noch einmal zur Wiederwahl?

Sancaktaroglu: Auch das müssen wir bis zum Tag der Mitgliederversammlung intern besprechen. Da möchte ich nicht vorgreifen. Wir sind bisher immer im Team zur Wahl in der Mitgliederversammlung gegangen. Es wäre kein Teamspirit, wenn ich jetzt sagen würde, ich stelle mich zur Wahl oder stelle mich nicht zur Wahl. Wir müssen das gemeinsam entscheiden. Fakt ist: Der Verein genießt einen gewissen Ruf, den er sich in den vergangenen Jahren erarbeitet hat, weil es im Team funktioniert. Und wenn ein zusammengewürfeltes Team den Vorstand bildet, ist das nicht so gut steuerbar und eventuell auch nachteilig in der Außendarstellung. Deswegen wollen wir erst einmal Klarheit haben, mit welchem Team wir an den Start gehen.

Das klingt erst einmal so, als ob Sie nicht ganz abgeneigt wären, noch einmal anzutreten. Es standen aber Gerüchte im Raum, die Belastung würde zu groß und Sie engagierten sich auch finanziell im Verein. Dann könnte schon der Punkt kommen, an dem Sie sagen, es werde Ihnen alles zu viel.

Sancaktaroglu: Wenn dem so wäre, müsste der Verein, in den wir viel Herzblut und – wie Sie sagen – Finanzen gesteckt haben, von qualitativ hochwertigen Menschen weiterhin so geführt werden, wie wir uns das wünschen. Diese Situation muss es erst einmal geben. Das heißt, wir werden unabhängig davon, ob wir Titel holen und Geld in die Kasse kommt, nicht von einem Tag auf den anderen – wie so mancher Sportler – einfach abtauchen.

Nach der Runde ist vor der Runde. Es gibt eine entscheidende Neuerung: das Punktesystem. Erst einmal ganz allgemein: Ist das der richtige Weg, um mehr Spannung und Chancengleichheit zu bekommen?

Sancaktaroglu: Ja.

Baglan: Ja, weil wir in der Vergangenheit feststellen konnten, dass die Schere zwischen den Bundesligisten immer größer geworden ist und dass es auch ein wesentlicher Faktor ist, welche monetären Ressourcen einem Verein zur Verfügung stehen. Es gab den Versuch mit der Begrenzung der Budgetierung. Ein redlicher Schritt, den man jetzt versucht, mit dem Punktesystem weiterzuentwickeln. Das heißt, man sucht nach einem Instrument, um die Chancengleichheit besser herzustellen. Es gibt ja auch Ligensysteme wie in Amerika, wo es ja auch Bestrebungen gibt, mit Regularien die Rahmenbedingungen so gleich wie möglich zu halten. Ob es der Weisheit letzter Schluss ist, bleibt abzuwarten. Es ist der Versuch, mehr Spannung reinzubringen.

Welchen Vereinen bringt das Punktesystem Vorteile?

Sancaktaroglu: Den Vereinen, die eine gute Jugendarbeit machen, die in der Lage sind, Sportler aus ihrem Jugend oder ihrer Zweiten Mannschaft hochzuziehen.

Welche Auswirkungen hat das Punktesystem auf Ihre Mannschaft? Die 88er hatten eine ganze Reihe international erfolgreicher Athleten in ihrem Kader. Die schlagen mit hohen Punktzahlen zu Buche. Werden sie sich auch von Leistungsträgern trennen müssen? Eldeniz Azizli beispielsweise verlässt Sie ja, er sucht übers Internet einen neuen Verein. Muss sonst noch jemand gehen?

Baglan: Vorneweg: Das ist einer der besseren Versuche, Infos zu erlangen, zu einem Zeitpunkt, zu denen wir noch keine herausgeben. Zur Frage: Wir brauchen eine andere Ausrichtung. Für uns ist es de facto eine komplett neue Perspektive bei der Kaderplanung. Das heißt, es haben jetzt andere Faktoren Priorität, weil es das System so vorgibt. Das heißt: Jeder Stein muss neu aufgehoben werden. Wir müssen schauen, wer ins Gesamtgefüge, wer in die erlaubten 28 Punkte pro Kampfabend passt. Deswegen ist es für uns nicht einfach. Aber ich glaube, bis spätestens Mitte Mai werden wir, so wie wir in der Vergangenheit auf jede Änderung adäquat reagiert haben, auch diesmal eine gute Lösung finden.

Sancaktaroglu: Richtig. Neue Regeln heißt neue Chancen. Man darf nicht immer nur die Probleme sehen. Was wir auf jeden Fall vorhersagen können: Nicht nur wir, sondern auch wahrscheinlich jedes andere Team wird keine vier Acht-Punkte-Leute aufstellen können, schon rein mathematisch nicht. Auf jeden Fall wird es interessant.

Unter welchen Prämissen stellen Sie Ihren Kader zusammen? Viele Deutsche, junge Leute, schauen Sie auf den Charakter?

Baglan: Am besten alle drei Eigenschaften. In der Vergangenheit war es ja auch immer so, dass wir für junge Athleten ein guter Adressat waren. Sie haben sich gut und erfolgreich weiterentwickelt. Insofern wird in der kommenden Saison mit Sicherheit auch das ein oder andere Talent zu uns stoßen. Unseren Prioritätenkatalog werden wir jetzt nicht eins zu eins kundtun. Aus der Vergangenheit heraus ist bekannt, dass uns ein gewisses Profil wichtig ist, dass wir Teamplayer in unsere Mannschaft holen. Starallüren sind nicht gern gesehen. Unser Teamspirit hat uns in den vergangenen Jahren ausgezeichnet. In diese Richtung wollen wir weitergehen.

Die Bundesliga wächst in der kommenden Saison um drei Mannschaften. Hat der Deutsche Ringerbund alles richtiggemacht?

Sancaktaroglu: Schwer zu sagen. Wir sind froh, dass es mit der Neuausrichtung der Bundesliga unter dem DRB-Dach in kleinen Schritten nach vorne geht. Wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt, wie das Niveau wird. Wir müssen schauen, was die Konkurrenzveranstaltung (die Deutsche Ringerliga; Anmerkung der Redaktion) macht. Vielleicht ringen dort in der nächsten Saison zehn Vereine. Das wissen wir noch nicht.

Die Vorrundengruppe der 88er ist um eine Mannschaft größer geworden. Das heißt: Sie haben einen Heimkampf mehr. Begrüßen sie diese Entwicklung?

Sancaktaroglu: Dadurch, dass auch ein Auswärtskampf dazukommt, gibt es nichts, was sich positiv oder negativ verändert hat. Eine weite Fahrt ist dazugekommen. Aber man muss es auch mal umgekehrt sehen: Die armen Lübtheener müssen siebenmal weit fahren. Insofern haben wir es ganz gut erwischt.

Wie gefällt Ihnen ihre Nordwest-Gruppe? Sie sieht ja deutlich anders aus als die Südwest-Staffel der vorigen Saison.

Sancaktaroglu: Aus meiner Sicht sind attraktive Gegner dabei.

Baglan: Es ist schön, dass wir auch einen Traditionsverein wie den KSV Witten aus Nordrhein-Westfalen in unseren Reihen haben. Darüber hinaus gibt es wieder das Derby gleich zu Saisonbeginn, das erneut ein Zuschauermagnet sein wird. In Kleinostheim ist wieder ein Verein aus dem Aschaffenburger Raum zu uns gestoßen, wo es ja traditionell immer einen Vertreter gab. Das ist schön.

Sancaktaroglu: Die Heilbronner sind dabei, das ist ein Verein, der viel Marketing macht. Das ist gut für den Ringsport. Die sind sehr gut aufgestellt. Also eine interessante Gruppe, auf jeden Fall.

Die Play-offs fangen diesmal erst mit dem Viertelfinale an. Das heißt: Es trennt sich die Spreu vom Weizen früher. Eine gute Entscheidung?

Sancaktaroglu: Es gibt Für und Wider. Das Für ist, dass in der vorigen Saison viele Vereine für sich proklamieren konnten, den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte gefeiert zu haben, weil sie in die Play-offs eingezogen sind. Das war nur möglich mit einem Achtelfinale. Wir hatten beim DRB argumentiert, dass die Play-off-Phase bedeutsamer ist als die Punktrunde, dass wir deswegen diese Phase länger halten sollten. Es hat aber auch ein Wider: Es war zu einfach, in die Play-offs zu kommen. Das ist in der kommenden Saison nicht der Fall, so dass in einer ausgeglichen Gruppe die Spannung in der Vorrunde hoch sein wird, in einer weniger ausgeglichenen Gruppe aber die Luft nach einer gewissen Anzahl an Kampftagen raus sein könnte. Wir werden sehen. Neues Spiel, neues Glück.

Neben der Bundesliga gibt es noch die DRL ...

Sancaktaroglu: Was?

Neben der Bundesliga gibt es noch die DRL ...

Sancaktaroglu: Weiß ich nicht ...

Okay, verstanden. Können zwei Topligen neben einander existieren? Oder soll ich das „Was“ so interpretieren, dass ich die Frage komplett zurückziehen soll?

Sancaktaroglu: Das ist nicht unser Thema. Das beschäftigt uns nicht. Das ist so ähnlich wie die Frage: Wie wird sich die indische Liga entwickeln oder die KLZ in Polen? Keine Ahnung.

Aber Sie sind von der DRL direkt betroffen.

Sancaktaroglu: Warum?

Weil die Ringerszene in Deutschland gespalten ist. Ringen ist nicht die breit aufgestellte Sportart, die sich zwei konkurrierende Ligen leisten könnte.

Sancaktaroglu: Der ASV Mainz 88 hat eine gewisse Zuschauerschaft. Die bleibt uns erhalten, weil wir der ASV Mainz 88 sind. Wir haben vor einiger Zeit entschieden, dass wir unter dem Dach des DRB und des DOSB ringen, weil dort das Ringen bis in die tiefsten Ligen verwaltet und organisiert wird. Deswegen brauchen wir uns mit anderen Bereichen um uns herum nicht auseinanderzusetzen.

Es gibt aber Kritiker, die sprechen der Bundesliga die Klasse ab. Den Livestream des Finalrückkampfs zwischen dem KSV Köllerbach und Wacker Burghausen kommentierte ein Zuschauer im Internet mit dem abwertenden Urteil: „Regionalliganiveau“. Wie sehen Sie das?

Baglan: Burghausen, Adelhausen und Köllerbach haben tolle Kader gehabt. Welche Motivation steckt hinter einem solchen Kommentar?

Bichinashvili: Solche Leute haben keine wirklichen Argumente.

Sancaktaroglu: Die Mannschaften, die im Halbfinale und Finale waren, hatten Niveau und standen zu Recht da. Dann kann jeder sehen, welche Sportler in den Kadern dieser vier Vereine standen, um sich dann mal zu hinterfragen, ob Weltmeister und Europameister auf Regionalliganiveau ringen oder nicht.

Bichinashvili: 90 bis 95 Prozent der Sportler, die in der Saison davor in der Bundesliga gerungen hatten, traten erneut in der Bundesliga an, zum Teil für andere Vereine. Siehe Köllerbach oder Burghausen.

Sancaktaroglu: Wenn wir jetzt hingehen und eine Bundesligamannschaft mit der georgischen Nationalmannschaft vergleichen, dann hinkt das ja ein wenig. Das ist ja nicht vergleichbar. Wir waren überrascht, wie gut sich zum Beispiel der junge Widmayer von Burghausen gegen den international dekorierten Balint Korpasi geschlagen hat. Was ist daran Regionalliga? Das ist gut für den deutschen Ringsport.

Bichinashvili: Im Vorkampf hat Widmayer den Köllerbacher Timo Badusch geschlagen. Badusch war über lange Jahre ein Topringer.

Sancaktaroglu: Oder wenn ein Ettienne Kinsinger gegen einen guten Ausländer wie Ivo Angelov gewinnt. Wo ist da das Negative zu sehen? Das verstehe ich nicht.

Die Nörgler auf der Tribüne gibt es wohl in jeder Sportart.

Baglan: Die gibt es, und die wirst du nie zufriedenstellen können. Um auf den Halbfinalkampf zurückzukommen: Das war eine Begegnung auf höchstem Niveau, Kampf bis zum Letzten. Die Resonanz bei den Medien und den Zuschauern hat für sich gesprochen. Das war absolute Werbung für den Ringkampfsport und ein Ausrufezeichen, wie wir uns als sogenannte Randsportart vermarkten beziehungsweise in der Öffentlichkeit angenommen werden. Darüber sind wir froh und stolz.

Sancaktaroglu: Wenn über die fünf Vereine der Konkurrenzveranstaltung gesprochen wird, heißt es immer: die Topvereine. Das ist sehr pauschal. Fünf Topvereine sind das nicht. Eisleben war noch nie ein Topverein, Schifferstadt war in den vergangenen 15 Jahren in der Außendarstellung auch nie auf dem Niveau, auf dem wir waren oder sind, oder wie es Weingarten ist. Ich lasse gelten, dass Weingarten eine sehr gute Öffentlichkeitsarbeit macht. Das ist in Ordnung, und Weingarten war auch in den zurückliegenden Bundesligazeiten weit vorne mit dabei, genau wie die Nendinger, die immer Kopf an Kopf mit uns waren. Ispringen hängt am seidenen Faden seines Gönners, des Mäzens. Wenn der gekappt ist, ist Ispringen auch kein Topverein.

Kommen DRB und DRL irgendwann wieder zusammen? Wenn ja: Unter welchen Bedingungen?

Baglan: Das ist absolut nicht unsere Baustelle.

Sie sind wohl schon mittendrin in der Kaderplanung für die kommende Saison. Es schwirren bereits Namen durch den Raum. Können Sie schon einen Zipfel des Geheimnisses lüften?

Baglan: Gegenfrage: Haben wir das in der Vergangenheit gemacht?

Mit welchem Ziel gehen Sie in die kommende Saison?

Baglan: Es ist eine Saison mit komplett neuen Vorzeichen. Deshalb ist es schwierig, zum jetzigen Zeitpunkt klare Ziele zu formulieren. Fakt ist, dass der Coach mit seinen Jungs bestrebt sein wird, dass der Funke von der Matte auf die Zuschauer überspringt. Wir sehen unsere Kernkompetenz darin, unseren Fans ein Event zu präsentieren. Das ist es, was uns auszeichnet. Das werden wir auch mit aller Macht versuchen, in der kommenden Runde umzusetzen. Ein erstes Signal dafür wird der Tag der Offenen Tür sein, an dem wir auch unsere Jungs in Gänze vorstellen. Es ist angedacht, dass wir auch im Trainerteam noch eine Verstärkung bekommen, die Davyd im Greco unterstützt.

Sancaktaroglu: Wir haben viele Ziele. Wir wollen uns neben dem Sportlichen auch in der infrastrukturellen Organisation verbessern. Wir wollen eine Baumaßnahme anstoßen, damit unsere Sportler noch bessere Bedingungen haben. Wir wollen uns sportlich noch einen Tick breiter aufstellen, ebenso im Bereich der ehrenamtlichen Helfer, um vielleicht die Öffentlichkeitsarbeit noch einmal zu verbessern. Wir sind schon daran interessiert, nicht auf dem Niveau zu bleiben, auf dem wir sind, auch wenn wir das schon als gut erachten.

 

Das Gespräch führte Gert Adolphi.

 

 

Mehr aktuellen Sport aus Mainz lesen Sie hier[https://www.sportausmainz.de/].

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Wenn Peker kommt wird wohl auch kein Platz mehr für Beka sein. Bislang also noch bei N Sportler in Mainz.

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Gute Mannschaft dachte ich gerade, aber wenn Korpasi weg ist, nehme ich die Hälfte wieder zurück.

Ich vermute mal, er geht nach Nackenheim, dort scheint sich ein ernstzunehmender Gegner der Mainzer aufzustellen.

Aber Lyzen wäre schon wichtig, um variabel zu sein.

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